250 Jahre Eis(berg)wasser

250 Jahre Eisbergwasser | James Cook im Meer

Eine Idee mit vielen Stationen. Mythos, Realität oder einfach nur Spinnerei? Trotz illustrer Vorgehensweisen – Wichtigkeit und Sinn sind gegeben.

Trinkwasser aus Eisbergen zu gewinnen, liest sich wie eine Idee aus einem Science-Fiction-Roman: Ein modernes und unwirkliches Abenteuer der Nutzbarmachung einer bislang ungenutzten und unerschlossenen Wasserressource. Die Idee erscheint heute auf den ersten Blick so speziell, dass jeder, der sich mit einem solchen Projekt beschäftigte, wohl anfangs dachte, er wäre allein – der erste, der sich so etwas ausdenkt und der ein Edison des Trinkwassers ist. Doch blicken wir weit zurück, dann müssen wir feststellen, dass die Idee, Wasser aus Eis zu gewinnen, mehr als 250 Jahre alt ist. Wenn es früher vordergründig um die Sicherung von Wasser auf langen Schiffspassagen oder um die Kühlung von Waren ging, geht es heute zunehmend um die Gewinnung von Trinkwasser gegen den Wassermangel.

Der Start.

Als wir im Jahr 2010 mit unseren Überlegungen begannen, glaubten wir tatsächlich, dass wir die ersten sind, die sich eine derartige Alternative zur Trinkwassergewinnung ausgedacht haben. Schnell mussten wir jedoch feststellen, dass die Idee schon einige vor uns hatten und sie älter ist, als heute manch einer vielleicht zu denken vermag.

Das bisher noch kein Projekt realisiert wurde, hing und hängt von vielen Faktoren ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die einen kamen nicht über die Idee hinaus, den anderen standen nur die technologischen Möglichkeiten ihrer Zeit zur Verfügung. Manche wiederum hatten nicht ausreichende finanzielle Mittel. 

In unserem Fall finanzieren wir uns seit zehn Jahren selbst. Eine Situation, die nicht unbedingt zur schnellen Entwicklung beigetragen hat. Wir sind der Meinung, wer das Problem verstanden und eine Lösung entwickelt hat, muss das Ziel der Realisierung im Fokus haben und auch bereit sein, selbst zu investieren. Nur dann können wir Menschen motivieren, mit uns die Geschichte fortzuschreiben. 

Wir schauen heute einmal in den Rückspiegel der Geschichte. In einem chronologischen Überblick stellen wir die bislang bekannten Meilensteine in der Geschichte rund um das Wasser aus Eis zusammen. 

Nr. 1 – Ein Eisberg wird zum ersten Mal zur Trinkwasserquelle

Im 18. Jahrhundert ist Kapitän James Cook zu einer Expedition in den Südpazifik aufgebrochen. Beim Überqueren des südlichen Polarkreises nahm er rund 25 Tonnen Eis von Eisbergen an Bord, um seine Wasservorräte aufzufüllen. Nach ihm haben viele Seefahrer Eisbergwasser genutzt, um zu überleben. Die Passagen dauerten oft Monate und die Wasservorräte, die kaum genau planbar waren, versiegten oder verfaulten. James Cook steht damit geschichtlich als erster in der Reihe von Personen, die Eisberge als Trinkwasserquelle ansahen und diese auch nutzten. 

Nr. 2 – Der erste professionelle Transport von Eis

Frederic Tudor „The Ice King“ verschiffte 1806 130 Tonnen Eis von Boston zur Karibikinsel Martinique. Um 1823 schickte der ambitionierte Geschäftsmann eine Versuchsladung nach Kalkutta. Nach dem erfolgreichen Transport weitete er den Langstreckenhandel mit Eis auf Rio De Janeiro, Indonesien, China, die Philippinen, Australien und Peru aus. Wir nehmen Frederic Turdor in die Aufzählung auf, da er den kommerziellen Transport von Eis begründete. 

Nr. 3 – Der erste Transport von Gletschereis 

Im Winter 1853/1854 brachte ein Schiff Gletschereis aus Alaska nach San Francisco. Wer dies tat, aus welchem Grund dies umgesetzt wurde und um wieviel Eis es sich handelte, ist nicht bekannt. Da es zu dieser Zeit jedoch noch keine modernen Kühlschränke gab, hatte Eis einen sehr hohen Wert, um Waren kühlen zu können. In dieser Zeit begannen viele Unternehmer, es Frederic Tudor (Nr. 1) gleichzutun und erschlossen immer mehr Möglichkeiten, um Eis zu gewinnen. Während Frederic Tudor noch Eis aus Seen und Gletschern verwendete, entwickelte sich langsam immer mehr die Idee, Eis aus Regionen zu gewinnen, in denen es das ganze Jahr über verfügbar war.

Nr. 4 – Die erste Idee, einen Eisberg zu schleppen

Es ist zwar nicht die Geschichte „In 80 Tagen um die Welt“, zeitlich könnte es dennoch passen. Es wird vermutet, dass um 1863 ein US-amerikanischer Unternehmer die Idee hatte, Eisberge nach Indien zu schleppen – und zwar mit einem dampfgetriebenen Schiff. Ob die Geschichte wirklich stimmt und warum gerade Indien zum Ziel der Idee wurde, kann mangels eindeutiger Fakten leider nicht mehr entschlüsselt werden. Es passt zu der Zeit und zu den Menschen, die die Welt auf den Kopf stellen wollten. Demnach war es ein Amerikaner, der vor 158 Jahren als erster die Idee hatte, einen ganzen Eisberg zu verschleppen, um Trinkwasser zu gewinnen. 

Nr. 5 – Eisbergverschleppung nach Callao

In den Jahren 1890 und 1900 wurden kleinere Eisberge aus der San-Rafael-Lagune in Chile zum 3.900 km entfernten peruanischen Callao gebracht. Da die Verschleppungen ebenfalls vor der Ära des Kühlschranks stattfanden, gehen wir davon aus, dass das Eis zum Kühlen von Waren benötigt und verwendet wurde. 

Nr. 6 – Erste Idee antarktische Eisberge zu nutzen

1949 hatte der US-Ozeanograf John Isaacs vorgeschlagen, antarktische Eisberge ins Schlepptau zu nehmen und nach Kalifornien zu transportieren. John Isaac von der Scripps Institution in La Jolla in Kalifornien zeigte in einem wissenschaftlichen Seminar auf, dass eine Flotte von sechs Hochseeschleppern etwa ein halbes Jahr benötigen würde, um einen 30 km langen Eisberg vom 65. südlichen Breitengrad nach Kalifornien zu schleppen. Seit diesem Zeitpunkt beflügelt diese Idee technische Phantasien. 

Nr. 7 – Erstmals sollen Eisberge gegen Dürre eingesetzt werden

Im Jahr 1969 erörterte Wilford Weeks, Glaziologe vom U.S. Army Regions Research and Engineering Laboratory in New Hampshire, vor Fachkollegen aus aller Welt die Möglichkeit, schwimmende Eisberge an die Küsten von Trockengebieten zu ziehen. Er gliederte die Probleme in vier Teilbereiche: das Ausfindigmachen der Eisberge, die Berechnung des Energieaufwands, den Schmelzwasserverlust und die Wirtschaftlichkeit. Wilford hielt die Idee eigentlich selbst für Unsinn. Daher wollte er ein für allem Mal mit dem Mythos aufräumen und startete eine Studie, die schlussendlich alle Überlegungen widerlegen sollte.

Die Studie, die er gemeinsam mit seinem Kollegen William Campbell vom U.S. Geological Survey´s Ice Dynamics Projects durchführte, kam jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die Idee der Eisbergverschleppung hat technisch und wirtschaftlich Hand und Fuß. Um allerdings Eisberge nur zu Trockengebieten zu ziehen, ist der Aufwand zu groß. Seinerzeit wurde der Plan verfolgt, Eisberge in der Größe von 3 x 1,5 km zu schleppen. Die Dimension der Idee schoss über das Ziel hinaus. Eine weitere Studie zeigte auf, dass für ein derartiges Projekt viel „Geld“ und „Durst“ benötigt wird. 

Nr. 8 – Einsatz von Eisbergen in den Wüstenstaaten der Emirate

Die bekanntesten Persönlichkeiten bei der Gewinnung von Trinkwasser aus Eisbergen sind der saudische Prinz Mohammed Al-Faisal und der französische Wissenschaftler Georg Mougin. 1977 gründete Prinz Al-Faisal mit George Mougin die Iceberg Transportation Company International Ltd. Sie verfolgten die Idee, Eisberge über den Äquator zu ziehen. Finanziell war ihr Vorhaben sehr gut ausgestattet. Bezogen auf die zur Verfügung stehende Geldmenge, war dies wohl das bisher finanzstärkste Projekt. Dennoch kam es nie zu einer ernsthaften Projektrealisierung. Die Überquerung des Äquators nach Bab el-Mandeb war unter anderem zu anspruchsvoll und überstieg die Möglichkeiten einer realen Umsetzung. Prinz Mohammed Al-Faisal war Gründer der internationalen Forschungsgruppe „Iceberg for the Future“.

Nr. 9 – Vermarktung von Premiumwasser und Bewässerung von Feldern

1999 entwickelte zum ersten Mal ein Projekt aus Deutschland den Plan, Trinkwasser aus Eis zu gewinnen. Die Icetrack AG hatte das Ziel, Eisberge von der Antarktis in Richtung Südafrika zu schleppen und kooperierte dabei mit dem AWI (Alfred-Wegener-Institut). Die Ausrichtung des Geschäftsmodels war der Verkauf von Premiumwasser. Das Projekt wurde eingestellt.

Nr. 10 – Eisbergwasser zur Nutzung gegen die weltweite Wasserknappheit

2010 starteten wir mit den ersten Überlegungen, Trinkwasser aus Eisbergen zu gewinnen.  Anfangs beschäftigten wir uns nur mit dem Wasser beziehungsweise wie und für was es eingesetzt werden kann. Die Möglichkeit, eine unerschöpfliche Quelle nutzbar zu machen und ein Projekt auf die Beine zu stellen, das soziale und wirtschaftliche Belange vereint, hatte uns begeistert. Für uns war klar: So ein Projekt kann nur Erfolg haben und nachhaltig sein, wenn es sozial fördernd, umweltschonend, wirtschaftsstark und einen strengen industriellen Produktionsansatz aufweist.

Wir erkannten, dass nicht die Verschleppung die Schwierigkeiten mit sich bringt, sondern die Lagerung und Speicherung von mehreren Millionen bis Milliarden Litern an Wasser. Somit fokussierten wir uns anfänglich erstmal auf die Verankerung von Eisbergen, die Gewinnung des Wassers, die CO₂-neutrale Speicherung, die Distribution zum Menschen und die Automatisierung von optimalen Routings. Höchste Effizienz spart Energie. 2014 wurde das Unternehmen POLEWATER in Berlin gegründet.

Nr. 11 – Ein Eisbergtransport ist technologisch machbar

2011 präsentierte das französische Unternehmen Dassault Systèms, in Kooperation mit dem bekannten französischen Eisbergforscher George Mougin (Nr. 7), das Projekt „Ice Dream“. Dassault Systèmes ist ein multinationales Software-Entwicklungsunternehmen und Entwickler der 3D-Experience-Plattform – eine Software, mittels derer technisch komplexe Projekte durchgerechnet und in 3D visualisiert werden können. Unter dem Projektnamen Ice Dream wollten die Entwickler herausfinden, ob ein Eisbergtransport nach heutigem Stand der Technik grundsätzlich möglich ist. Die Ergebnisse waren beeindruckend und zeigten eine positive Realisierungsmöglichkeit.

Nr. 12 – Eisbergwasser soll die Wüstenstaaten der Emirate in grüne Oasen verwandeln

Abdullah Al-Shehi, ein Unternehmer im Bereich Waschanlagen aus Abu Dhabi, stellte 2015 seine Vision von Trinkwasser aus Eis vor. Ein Mega-Eisberg in einer Dimension von ca. 40 Millionen Tonnen soll vom antarktischen Raum über den Äquator bis zu den Emiraten geschleppt werden. Ziel ist es, die Emirate mit Trinkwasser zu versorgen und den Wüstenstaat in eine grüne Oase zu verwandeln. Ein eigens veröffentlichtes Werbevideo zeigt den Mega-Tafeleisberg in der sengenden Hitze vor der emiratischen Küste inkl. Eisbären und Pinguinen als Attraktion. Randnotiz: Eisbären leben nördlich des Polarkreises, Pinguine haben ihren Lebensraum am südlichen Polarkreis.

Nr. 13 – Eisbergwasser für Südafrika

2018 startete Nick Sloane eine Kommunikationsoffensive und präsentierte sein Projekt zur Gewinnung von Trinkwasser aus Eisbergen. Der Südafrikaner, ein bekannter Bergungsexperte, der die gesunkene Costa Concordia mit seinem Unternehmen hob, möchte damit die Wasserprobleme Afrikas lösen. Das Projekt sieht die Speicherung des Wassers in großen Tankern vor. Zudem sollen die Eisberge nach dem Schleppvorgang auf Grund laufen. Laut aktueller Information liegt der Kapitalbedarf im dreistelligen Millionenbereich und sollte über den südafrikanischen Staat finanziert werden. Bislang hat sich die Regierung dazu nicht bekannt.

Unser Fazit:

Während der letzten 250 Jahre gab es viele Persönlichkeiten, die lange vor uns allen die Gewinnung von Wasser aus Eis oder Eisbergen verfolgten – teilweise aus eigenen Notlagen, teilweise auf Grundlage einer professionellen Planung. Vielleicht werden die heutigen Akteure das Rätsel auflösen und mit einem Eisberg im Schlepptau in See stechen. Vielleicht wird die Umsetzung weiterhin in der Zukunft liegen.

Betrachten wir die aktuellen Akteure und Pioniere, so lassen sich in der Umsetzung Analogien feststellen, da die Physik und Naturwissenschaften an vielen Stellen der Projektumsetzung den Takt vorgeben. Dennoch gibt es unterschiedliche technologische und konzeptionelle Ansätze. 

Die Welt hat sich seit der Ursprungsidee stark verändert. Nicht nur der Mangel an Wasser hat drastische Formen angenommen und bedroht zunehmend viele Regionen in der Welt, auch Umweltkatastrophen im Zuge des Klimawandels drängen uns mehr denn je dazu, jedes noch so wirksame technologische Projekt umwelttechnisch auf den Prüfstand zu stellen. Deshalb dürfen wir Lösungsansätze nicht mehr isoliert betrachten und alles ignorieren, um einzig die Lösung zu realisieren. Die Gefahr ist zu groß, dass wir am Ende zwar ein Problem in Ansätzen lösen, aber ein anderes damit größer machen.

Quellen:

www.spiegel.de | Die PackeisWaffel | www.genios.de | www.wikipedia.de | www.icetrack.de | www.kapstadtmagazin.de | www.news.de | www.dw.com | www.quellonline.de | www.dww.show | www.bbc.com | www.blogs.3ds.com

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